- 1648, 1918, 1948, 1968 -

Jahre, die die Menschen in besonderer Weise erregten und bewegten

2018 ist ein Jahr der Jahrestage: 370 Jahre sind seit dem Westfälischen Frieden vergangen, 100 Jahre seit dem Ende des Ersten Weltkrieges und der Einführung des Frauenwahlrechts, 70 Jahre seit der Gründung des Staates Israel, 50 Jahre seit den Studentenprotesten 1968, um einige der bedeutsamen Ereignisse zu nennen. Ihnen haben wir in diesem Jahr unsere Lesewoche gewidmet und nach literarischen Spuren gesucht, die sie hinterlassen haben.

Gerda Siebelt war wieder so freundlich, uns eine Woche lang jeden Abend ihre Galerie zu öffnen, sodass die Präsentationen unserer Vorleserinnen und Vorleser einen stilvollen Rahmen erhielten.

 

© Hartmut Bringmann

Werner Haßenkamp eröffnete die Lesewoche am Montagabend mit einer Lesung von Uwe Timms Heißer Sommer, die in vielen Zuhörerinnen und Zuhörern lebhafte Erinnerungen an die revolutionäre Zeit ihrer eigenen Studienzeit wachriefen.

 

© Hartmut Bringmann

© Hartmut Bringmann

Mit dem Buch Träumer zeigt Volker Weidermann seine Sicht auf das Spannungsfeld von Politik und Literatur in der kurzen Phase der Münchener Räterepublik nach dem Ersten Weltkrieg. Dichter spielten eine besondere Rolle, einige, wie z.B. Ernst Toller und Erich Mühsam, standen an der Spitze der Rätebewegung. Dr. Klaus Cordes gab am Dienstag den Zuhörerinnen und Zuhörern durch seinen Vortrag Einblick in die Perspektive der Dichter -"Träumer"- auf die Geschehnisse, die entweder eine aktive Rolle in der Revolution übernahmen oder wie etwa Thomas Mann eine beobachtende.

 

© Hartmut Bringmann

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Hedwig Dohm war eine der ersten deutschen Frauenrechtlerinnen, die das allgemeine Wahlrecht für Frauen forderten. In scharfsinnigen Analysen sezierte sie die Argumente der "Antifeministen", die sich gegen die Fähigkeit der Frauen zu denken, selbstständig zu handeln oder gar politisch aktiv zu sein, richteten. Ulrike Fritz - Hummelt stellte am Mittwoch in Auszügen die bereits 1902 erschienenen Aufsätze Die Antifeministen vor, die die widersinnige Rhetorik der Frauenverächter als geistlos entlarvten.

 

 © Hartmut Bringmann

© Hartmut Bringmann

In seinem Roman Tyll erzählt Daniel Kehlmann in einer eigentümlichen Mischung aus historischer Realität und Fiktion Geschichten von Glauben, Aberglauben, Hunger, Gewalt, Verheerungen aus der schrecklichen Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Hinrich Petersen führte am Donnerstag anhand von zwei Kapiteln über Till Eulenspiegel(, den Kehlmann in seinem Buch ins 17. Jahrhunderte versetzte,) sowohl in die kuriosen als auch in die tieftraurigen Seiten des Romans ein.

 

© Hartmut Bringmann

 © Hartmut Bringmann

Einen weiteren zeitlichen Sprung gab es am Freitag mit der Vorstellung des Buches Lenin kam nur bis Lüdenscheid von Richard David Precht. Michaela Poschmann gab den Zuhörerinnen und Zuhörern Einblick in Prechts essayistische Darstellung seiner Kindheit in den 60er und 70er Jahren, geprägt durch die antikapitalistische Einstellung der Eltern. Sie waren zwar nicht Teil der Studentenbewegung, entwickelten sich aber, politisiert durch den Vietnamkrieg, zu Marxisten und Kommunisten und setzten ihre Lebenseinstellung auch pädagogisch um, etwa bei der Auswahl der Kinderbücher, Kinderlieder, Fernsehserien, Zeltlager.

  

 © Hartmut Bringmann

In Eine Geschichte von Liebe und Finsternis blickt Amos Oz nach fünfzig Jahren auf seine Kindheit und Jugend im Israel vor und nach der Staatsgründung zurück. Er schildert die Familiengeschichte der Klausners - so hieß Oz, bis er sich mit 15 Jahren umbenannte - und macht dabei an vielen Einzelheiten die enge Verwobenheit von Privatleben mit historischen politischen und sozialen Ereignissen sichtbar. Doro Waskönig stellte am Abschlussabend zwei Kapitel des Romans vor, in denen Oz in seiner einzigartigen, detaillierten, ernsthaften und gleichzeitig humorvollen Erzählweise die Beziehungen innerhalb seiner kleinen Familie und die gespenstische Ruhe in Jerusalem während der Abstimmung der UNO-Vollversammlung über die Teilung Palästinas schildert. Ihre Lesung ließ die Atmosphäre von Liebe und Finsternis in jener Jerusalemer Welt und jener Familie Klausner unmittelbar lebendig werden.

 

 © Hartmut Bringmann

Die musikalische Begleitung übernahmen an diesem Abend drei junge Flötistinnen, betreut durch Susanne Hoppenau. Besonders stimmig war die Wahl der beiden Klezmer-Melodien - passend zur Erzählung.

  

 © Hartmut Bringmann

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